Kommt mit auf eine Spurensuche durch die Straßen von Halle und lasst euch verzaubern von den Geschichten einiger rätselhafter Wesen, die auf Häuserwänden, Türen und Gartenzäunen ihr Unwesen treiben.
Ein Spaziergang durch die Straßen von Halle kann zu einem aufregenden Abenteuer werden. Alles, was dazu benötigt wird, ist ein wachsamer, aufmerksamer und suchender Blick. So wird der tägliche Gang zur Arbeit, zur Universität oder zum Café um die Ecke garantiert zu einer spannenden Erfahrung, die den Alltag versüßt und das Leben ein Stück weit bunter macht.
Im Verborgenen agierende Street-Art-Künstler*innen haben den städtischen Raum zu ihrer Leinwand gemacht. Egal, wohin der Blick auch wandert, an fast jeder Ecke der Stadt findet sich eines ihrer Kunstwerke. Es ist also fast unmöglich, keines zu entdecken. Ist das Street-Art-Feuer erst einmal entfacht, so offenbaren sich dem Abenteurer im Großstadtdschungel Tag für Tag neue, spannende Kunstwerke – auch an solchen Stellen, die zuvor lediglich blinde Flecken im Sichtfeld gewesen sind.
Ganze Crews sind in Halle ansässig, die den städtischen Raum mit ihrer Street-Art bereichern und Häuserfassaden, Türen, Gartenzäune, Elektrokästen, Parkbänke, Straßenschilder und Laternenmasten mit Stencils, Figuren, Fliesen, Stickern, Cut-Outs und Graffitis verzieren. So lassen sich insbesondere die Tags von TUES, YEAH, CUP, DICK, CAKE, HIPPIE, MUFFIN und SOUL immer wieder – auch in etlichen Gemeinschaftsprojekten – im Stadtkern von Halle wiederfinden.
Statt also beim Gang durch Stadt immer nur auf die eigenen Füße zu gucken und den Kopf nur zu heben, um das eigene Spiegelbild in einer der großen, gläsernen Fensterscheiben der Geschäfte zu betrachten, lohnt sich der Blick in die Stadt und damit hinter ihre oberflächliche Fassade.
Zum Dank zaubert jedes der Kunstwerke dem glücklichen Finder ein Lächeln ins Gesicht und lässt in ihm eine kindliche Freude über das soeben Entdeckte aufkommen. Dazu aufgefordert, genauer hinzusehen und die eigene Umgebung samt ihrer versteckten Ecken zu erkunden, werden die kleinen Dinge des Alltags aufmerksam betrachtet und mit der Zeit mehr und mehr wertgeschätzt.
Insbesondere die durch die Street-Art erschaffenen kleinen, kunstvollen Wesen können jedoch noch mehr: Sie regen die Phantasie an und erwachen bei genauerem Hinsehen zum Leben. So spielt ein Pinguin munter mit seinem Ball, ein Vöglein singt fröhlich sein Lied und ein Stadtgeist wandelt still und leise durch die Straßen.
Pinguin und Ball | CUP und Unbekannte*r Künstler*in | Fliese aus Holz, Stencil | Fundort: Ecke Franz-Andres-Straße und Adam-Kuckhoff-Straße, 06108 Halle
Dort, wo sich die Wege von Franz Andres und Adam Kuckhoff in Halle kreuzen, lädt ein Pinguin zur Betrachtung seiner Künste ein. Doch nur aufmerksame Passanten werden seinen schwarzen Schatten auf dem alten Mauerwerk linksseitig des rostigen Zauntores tanzen sehen. Wer den kleinen Seevogel jedoch erst einmal entdeckt hat, wird unverzüglich Zeuge seiner Darbietung. Spielerisch jongliert der kleine Show-Star einen kreisrunden, bunten Ball, der sich seinen Weg aus dem Mauerwerk in den Stadtraum bahnt. Ganz so als würde es nun nur den Pinguin und seinen liebsten Begleiter geben, wird der Betrachter zum stillen Zuschauer der hingebungsvollen Zuneigung eines Wesens zu einem ihm bedeutungsvollen Objekt.

Vermutlich harmonieren in dieser Szene Kunstwerke zweier unterschiedlicher Künstler*innen miteinander – und zwar so, dass sie zusammen ein neues erschaffen, gleichzeitig jedoch noch immer für sich stehen. Unklar bleibt, welche*r Künstler*in sein oder ihr Kunstwerk zuerst an Ort und Stelle verwirklicht hat. Spannend aber ist, wie beide Kunstwerke miteinander interagieren.
Franz Andres und Adam Kuckhoff hätten sich über solch einen Anblick sicherlich auch gefreut.
Vöglein am Wolkenkuckucksheim | CUP | Stencil | Fundort: August-Bebel-Platz 5, 06108 Halle
Dort, wo August Bebel in Halle Platz genommen hat, zwitschert ein am Wolkenkuckucksheim lebendes Vöglein munter sein Frühlingslied. Ganz gleich, ob es Tag oder Nacht ist, die Sonne scheint, es stürmt oder schneit: Das Vöglein ist schier unermüdlich und singt tapfer sein Liedchen vor sich hin.
Doch nur der aufmerksame Passant wird das Lied, das das kleine Tierchen so freudig vorträgt, tatsächlich hören können. Die Augen jedoch erst einmal geschlossen, so ertönen in unmittelbarer Umgebung die unterschiedlichsten Klänge: Das Rauschen der Blätter in den Bäumen, das Sprudeln des Wassers im Brunnen, das Lachen der spielenden Kinder, das Klappern der Kaffee-Tassen auf den Tischen und das Gemurmel sich unterhaltender Personen.
Ein Verweilen am Brunnen oder im Wolkenkuckucksheim lohnen sich zum genauen Hinhören allemal. Und womöglich ist dabei auch der ein oder andere Vogelgesang zu hören. Falls nicht, dann bleibt auch immer noch die Möglichkeit, selbst ein Liedchen vor sich hin zu summen. Also warum es nicht August Bebel gleichtun und einen Moment Platz nehmen, um dem Gesang des Vögleins und der Stadt zu lauschen?

Das Stencil stammt von CUP, dessen Tag im Notenblatt des Vögleins zu erkennen ist. Ähnliche Motive lassen sich in der gesamten Stadt ausfindig machen – sowohl als Stencil an Fassaden und Zäune gesprüht als auch als Fliese daran befestigt. Die Suche danach lohnt sich! Vielleicht animiert eines der Vöglein beim Gang durch die Straßen auch zum Mitsingen oder Mitsummen.
Stadtgeist | Unbekannte Künstler*innen | Stencil, Graffiti Tags | Fundort: Barfüßerstraße 14, 06108 Halle
Dort, wo auch mit Schuhen eine Straße in Halle barfuß entlang gegangen werden kann, offenbart sich dem aufmerksamen Passanten eine besonders liebenswerte Gestalt. Barfüßig steht der kleine Geist auf der Schwelle einer grünen Tür, kurz davor in einem Wald aus Äste bildenden Schriftzügen zu verschwinden. Als wäre der kleine Stadtgeist auf frischer Tat ertappt worden, blickt er jeden vorbeigehenden Passanten mit etwas entgeisterter Miene an. Im Schutze des Mauerwerks observiert das nahezu unsichtbare Wesen unauffällig seine Umgebung. Bereit sich erst dann wieder zu bewegen, wenn keine Blicke mehr auf ihm ruhen, beobachtet die geisterhafte Gestalt vorsichtig über ihre Schulter hinweg das Geschehen auf der Straße. Gleichzeitig aber lädt die Körperhaltung des ulkigen Geistes auch zum Hinterhergehen ein: Wohin nur führt sein Weg?

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei diesem Wesen um das Abbild eines Baumgeistes aus dem Film „Prinzessin Mononoke“ von Hayao Miyazaki aus dem Jahre 1997. Kenner des Films wissen, dass diese kleinen Gestalten friedliebend sind. Ihr Zuhause sind gesunde Bäume, von denen aus sie aufmerksam und neugierig ihre Umgebung beobachten. Also kein Grund zur Panik!
Zumindest für eines dieser Wesen ist Halle anscheinend zum Zuhause geworden. Als Stadtgeist wandelt es durch die Straßen und dürfte dem ein oder anderen Passanten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Aber Vorsicht! Das kleine Wesen hat alles im Blick. Und wer weiß, wie viele von ihnen sich noch in der Stadt verstecken. Eines lässt der Anblick des Wesens jedoch vermuten: Die Stadt scheint eine gesunde Stadt zu sein!
Allerlei rätselhafter Erscheinungen wie diese warten nur darauf, von einem neugierigen Abenteurer entdeckt und bestaunt zu werden. Von diesem Funken Neugierde angelockt, treten sie bereitwillig aus ihren schattigen Verstecken heraus in die Stadt hinein. Wer sich auf ihre Spuren und die der Street-Art-Künstler*innen begibt, wird die Stadt garantiert mit anderen Augen sehen!
TIPP | Um Orientierung im hiesigen Netzwerk zu gewinnen, lohnt sich ein Besuch der folgenden Website, die sämtliche Street-Art in Halle archiviert und kartographiert hat – gerade da auch diese Kunstwerke leider nicht vor Vandalismus geschützt sind: