Da Halle an der Saale nur einen Katzensprung von Leipzig entfernt ist und dort die Geburtsstätte der Schrebergartenkultur, gibt es auch hier unendlich viele Kleingartenvereine. Da viele Bewohner die Stadt nach der Wende verließen, findet man ganze Anlagen, die nach und nach von der Natur zurückerobert wurden.
Ein Ort als Refugium, zur Naherholung und zum Ausleben von gestalterischer und gärtnerischer Tätigkeit. Es handelt sich um klar eingeteilte Flächen, die individuell und doch mit einem beachtlichen, vom Verein aufgestellten und zu berücksichtigenden Regelkanon gestaltet werden können. Was auffällt ist, dass fast jede Parzelle eine Behausung besitzt. Hier wird autodidaktisch an das Architektur- und Ingenieurwesen herangegangen und eine Selbstermächtigung erfahrbar gemacht. Man spürt beim Flanieren durch eine solche Anlage einen gewissen Auswanderer*Innengeist, eine Sehnsucht nach dem einfachen Leben.
Hinter den Mäuerchen einer Laube versteckt sich kein Ordner mit ungezahlten Rechnungen, keine Fußbodenheizung und vermutlich auch kein WLAN-Router, der einen mit der Komplexität der weiten Welt verbindet. In seiner Parzelle kann man vor all dem flüchten und wie man beobachten kann, wird hier ein archaisches Bild der Besiedelung nachempfunden. Man baut Gemüse an und werkelt an seiner Behausung; man gibt der Nachbarin Tipps für das Einkochen von Holunderblütensirup und bekommt Hilfe beim Erneuern der Dachpappe.
Man grenzt sich mit besonders akkurat geschnittenen Nadelhecken ab und fühlt sich doch im Wissen um die anderen „Siedler“ geborgen. Schrebergartenbesitzer*Innen sind Träumer *Innen und Auswanderer*Innen im Kleinen zugleich.